A39-Projekt rückt in greifbare Nähe
Berliner Beschluss macht Lückenschluss zwischen Wolfsburg und Lüneburg wahrscheinlicher

Die A39 bei Weyhausen und Tappenbeck: Hier soll es einmal weiter gehen in Richtung Lüneburg.Foto: Matthias Leitzke
Wolfsburg/Kreis Gifhorn. Der jahrzehntelang diskutierte Lückenschluss der A39 zwischen Lüneburg und Wolfsburg steht offensichtlich so nah bevor wie nie. Nach den Beschlüssen des Berliner Koalitionsausschusses zur Finanzierung baureifer Verkehrsprojekte fordern Politik und Wirtschaft den sofortigen Baustart. Während die Industrie von einem „Zeichen der Handlungsfähigkeit“ spricht, wächst der Druck auf den Bund, endlich zu handeln.

Nach Jahren des Stillstands hat die Bundesregierung eine entscheidende Weichenstellung vollzogen. Bereits Ende September hatten Bundeskanzler Friedrich Merz (CDU) und Finanzminister Lars Klingbeil (SPD) vereinbart, baureife Verkehrsprojekte zu finanzieren. Zwei Wochen später bestätigte der Koalitionsausschuss diesen Kurs offiziell.

Merz, Klingbeil, Bundesarbeitsministerin Bärbel Bas und Bayerns Ministerpräsident Markus Söder verständigten sich auf ein umfassendes Maßnahmenpaket. Neben der Einführung der Aktivrente und einer neuen Grundsicherung steht dabei die Verkehrsinfrastruktur im Zentrum. „Alles, was baureif ist, wird gebaut“, erklärte der Kanzler nach dem Treffen. Drei Milliarden Euro sollen zusätzlich in den Neubau von Straßen fließen, nach zwei Jahren ist eine Überprüfung vorgesehen. Gleichzeitig sollen Planungs- und Genehmigungsverfahren beschleunigt und mittelfristig stärker privates Kapital eingebunden werden.

Damit ist der Weg frei für Projekte wie die A39, deren Wirtschaftlichkeit und Planungsreife seit Jahren bestätigt sind. „Wir haben eine Lösung gefunden, die Planungssicherheit schafft und den Startschuss für viele dringend benötigte Infrastrukturmaßnahmen gibt“, betont Alexander Jordan, CDU-Bundestagsabgeordneter für den Wahlreis Helmstedt-Wolfsburg. Als Mitglied im Verkehrsausschuss sieht er die A39 als „zentralen Baustein der norddeutschen Verkehrsachse“.

„Die A 39 ist von zentraler Bedeutung für unsere Region. Sie verbindet Wirtschaftsräume, entlastet Ortsdurchfahrten und stärkt die gesamte Logistikachse. Ich bin zuversichtlich, dass der Lückenschluss nun Schritt für Schritt Realität werden kann“, so Jordan.

In der Region stößt die Entscheidung auf breite Zustimmung. Michael Zeinert, Hauptgeschäftsführer der Industrie- und Handelskammer Lüneburg-Wolfsburg (IHKLW), fordert, dass der Bund nun unverzüglich handelt. Für die A39 bestehe vollziehbares Baurecht und „es gibt keinen Grund mehr, der Region dieses Zukunftsprojekt vorzuenthalten“, sagt Zeinert.

Für den ersten Bauabschnitt liegt seit Ende 2024 ein Planfeststellungsbeschluss mit Sofortvollzug vor. Der Verwaltungsakt wird zwar beklagt, doch das ändere nichts an der rechtlichen Möglichkeit, mit dem Bau zu beginnen. Auch für den siebten Abschnitt bei Wolfsburg existiert ein Planfeststellungsbeschluss, der sich derzeit im Klageverfahren befindet. Aus Sicht der Kammer darf das kein Vorwand sein, die Umsetzung weiter zu verzögern. „Infrastrukturpolitik darf kein Dauerpassspiel zwischen Behörden und Gerichten sein“, so Zeinert. „Jetzt muss der Bund den Ball ins Tor schießen.“

Zeinert warnt vor weiteren Verzögerungen: Jeder zusätzliche Monat koste Entwicklungschancen, verhindere Investitionen und schwäche das Vertrauen in die Politik.

Rückenwind bekommt die Forderung auch aus Berlin. Der Braunschweiger CDU-Bundestagsabgeordnete Carsten Müller hält den Zeitpunkt für gekommen, zu handeln. „Der Neubau der A39 muss jetzt endlich beginnen“, erklärt der Vorsitzende des Bundestagsausschusses für Recht und Verbraucherschutz. Der Feststellungsbeschluss zum ersten Abschnitt sei unanfechtbar und sofort vollziehbar, nun müsse der Bund liefern.

Müller sieht im Projekt A39 ein Beispiel für die Trägheit deutscher Infrastrukturpolitik. Es könne nicht sein, dass zwischen Planung und Umsetzung diverser Großprojekte Jahrzehnte vergehen, kritisiert er. „Wir riskieren damit die Zukunftsfähigkeit und Attraktivität unseres Landes.“ Der Abgeordnete fordert eine konsequente Prüfung der übrigen Bauabschnitte, um die Verfahren zu beschleunigen.

Auch SPD-Arbeitsminister Hubertus Heil und der niedersächsische Landtagsabgeordnete Philipp Raulfs hatten die Einigung in der Koalition begrüßt. Beide sehen darin ein wichtiges Signal für die Region und ein Ende der Unsicherheit, die den A39-Ausbau über Jahre gebremst hat.

Für die Industrie- und Handelskammer ist die Autobahn ohnehin von strategischer Bedeutung. Sie verbindet wichtige Wirtschaftsstandorte, entlastet Ortsdurchfahrten und stärkt die Verbindung zwischen der A2 und der A7. „Ein Baustart wäre ein kraftvolles Zeichen der Handlungsfähigkeit“, sagt Zeinert. „Er würde zeigen, dass Deutschland in der Lage ist, Infrastrukturprojekte nicht nur zu diskutieren, sondern umzusetzen.“

Weniger begeistert zeigen sich Umweltverbände, die bereits vor zwei Wochen deutliche Kritik äußerten. Der Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND) lehnt das Projekt weiterhin ab. Aus Sicht der Umweltschützer sei vor allem der Abschnitt 7 problematisch, da er durch ein Wasserschutzgebiet führe. Auch aus klimapolitischer Sicht sei der Ausbau nicht zu rechtfertigen, hieß es damals.

Der BUND plädiert stattdessen für den Ausbau der bestehenden B4 oder eine stärkere Verlagerung des Güterverkehrs auf Schiene und Wasserwege. Ein dreistreifiger Ausbau der Bundesstraße wäre laut Verband deutlich günstiger und umweltverträglicher. Auch der Verkehrsclub Deutschland (VCD) hatte vor zwei Wochen moniert, dass neue Milliarden in Straßenneubauten flössen, während bestehende Brücken und Straßen vernachlässigt würden.

Mit der Entscheidung des Koalitionsausschusses ist die politische Grundlage für den Weiterbau geschaffen. Dennoch bleibt offen, wann die ersten Bagger tatsächlich rollen werden. Zwar sind zwei der sieben Abschnitte planfestgestellt, doch Klagen und Prüfverfahren könnten den Beginn erneut verzögern.

Trotzdem ist der Ton in der Region eindeutig: Der Geduldsfaden ist gerissen. Politik und Wirtschaft fordern nicht länger neue Prüfungen, sondern sichtbare Fortschritte. Für viele gilt die A39 längst als Symbol – für Vertrauen, Planungssicherheit und den Anspruch, dass Politik auch liefern muss.

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