„VW ist ein denkbar ungünstiges Pflaster“
Betriebsratswahlen im Frühjahr: Werden AfD-nahe Listen die IG Metall herausfordern?

Betriebsversammlung im VW-Stammwerk: Im kommenden Jahr wird der Betriebsrat neu gewählt.Foto: Ronny Hartmann
Wolfsburg. Es ist ein Thema, auf das die VW-Spitze wohl gerne verzichten würde: Offenbar gibt es auch in der eigenen Belegschaft immer mehr Kolleginnen und Kollegen, die mit der AfD sympathisieren. Das kommt nicht überraschend, schließlich liegt die Partei in den Umfragen stabil bei 25 Prozent.

VW-Vorstandschef Oliver Blume hat sich in den vergangenen Wochen immer wieder klar positioniert. „Ich betrachte das mit Sorge. Extremes Gedankengut, gleich von welcher Seite, hat bei uns im Unternehmen nichts zu suchen. Wir stehen als Volkswagen-Konzern für Freiheit, Vielfalt und Zusammenhalt“, hatte er zum Beispiel im Interview mit der AZ/WAZ bei der Internationalen Automobilausstellung Anfang September in München erklärt.

Und auch jetzt bekräftigte Blume im Gespräch mit der Nachrichtenagentur dpa: „Für uns ist ohne jeden Kompromiss klar: Radikale Tendenzen, unabhängig von welcher Seite, haben bei uns in den Werkshallen nichts zu suchen.“

Nur: Das Thema verschwindet deshalb ja nicht. Im Gegenteil, in einem halben Jahr finden Betriebsratswahlen statt. Immer wieder ist zu hören, dass auch Kandidatinnen und Kandidaten auf AfD-nahen Listen antreten könnten. Das Thema kam etwa in diesem Sommer auf, als die AfD-nahe Arbeitnehmerorganisation „Zentrum“ vor Gericht Zugang zum Werk der VW-Tochter Volkswagen Group Services in Isenbüttel bekommen wollte, um sich gewerkschaftlich zu engagieren. Doch das Arbeitsgericht Braunschweig stellte sich auf die Seite von VW. „Zentrum“ hätte nachweisen müssen, dass an dem Standort im Landkreis Gifhorn mindestens eine Person arbeitet, die Mitglied des Vereins ist. Das sei von den Klägern nicht ausreichend belegt worden. Der Verein bekommt daher vorerst keinen Zugang zu dem Werk.

Klar ist indes, dass die selbsternannte „Alternative Gewerkschaft” in Industriebetrieben Fuß fassen will. Im September haben Leute des „Zentrums“ Flugblätter vor den Toren des Audi-Hauptwerks in Ingolstadt verteilt. „Mitmachen statt meckern“ sei das Credo, so steht es bei dem Verein im Internet. Man wolle die Beschäftigten „über unsere Arbeit und auf die bevorstehenden Betriebsratswahlen im Frühjahr 2026 aufmerksam machen“. Und weiter: „Zentrum“ setze sich für den Erhalt von Arbeitsplätzen in Deutschland ein und beziehe Stellung „gegen die ideologiegetriebene Transformation“ in der Automobilindustrie.

Der Politikwissenschaftler Ulrich Menzel sagt, dass die Volkswagen AG für Rechtspopulisten und AfD-nahe Vereine wie das „Zentrum“ ein „denkbar ungünstiges Pflaster” sei. Der emeritierte Politik-Professor, der unter anderem an der TU Braunschweig gelehrt hatte, gibt zu bedenken, dass VW wahrscheinlich das deutsche Unternehmen mit dem höchsten gewerkschaftlichen Organisationsgrad sei. Dieser liege in Wolfsburg bei etwa 90 Prozent. Außerdem seien VW-Mitarbeiter finanziell gut gestellt, da sie vergleichsweise hohe Gehälter und Boni bekämen. Deshalb dürfte es für AfD-nahe Listen schwierig werden, in den Werken Fuß zu fassen.

Allerdings gebe es einen Ansatz, der mit der schlechten Stimmung in der Belegschaft und der Krise der Branche zu tun hat, sagt Menzel. „Die Transformation in Richtung Elektro-Mobilität war bislang nicht erfolgreich. Hier gibt es eine Schnittmenge zur AfD: den Klimawandel leugnen und auf fossile Brennstoffe setzen. Das könnte ein Punkt sein, Gewerkschaftsmitglieder anzusprechen. Nach dem Motto: Wenn wir beim Verbrenner bleiben, haben wir mehr Beschäftigte“, sagt der Politikwissenschaftler.

Trotzdem dürften es solche Versuche bei den Betriebsratswahlen im kommenden Jahr schwer haben, glaubt er. „IG Metall und VW - das ist eigentlich eine Bank.“ Dass es bei der AfD machtpolitische Überlegungen gibt, in der Arbeiterschaft zu punkten, hält Menzel indes für nachvollziehbar: „Vielleicht ist VW in diesem Sinne ein Testgelände.“

Die IG Metall betont, dass der Verein „Zentrum“ bundesweit nur eine spärliche Zahl an Betriebsratsmandaten habe und eine marginale Rolle in der betrieblichen Mitbestimmung spiele. In Niedersachsen habe der Verein keinerlei strukturelle Relevanz. „Das ‚Zentrum‘ hat seine Wurzeln in der rechtsextremen Szene. Die IG Metall bezieht hier klar und eindeutig Position: Wir stellen uns entschieden gegen jede Form von Extremismus – insbesondere gegen rechtsextreme, faschistische und demokratiefeindliche Tendenzen", sagt Gewerkschaftssprecher Jan Mentrup.

Rechtspopulistische Gruppierungen würden versuchen, die Belegschaften zu spalten. „Spaltung stärkt nicht die Kolleginnen und Kollegen – sie stärkt die Arbeitgeberseite“, betont die IG Metall. Betriebe seien immer auch ein Spiegel der Gesellschaft. Das gelte auch für Volkswagen. Mentrup: „Entscheidend ist aber: Im Betrieb geht es nicht um Parteipolitik, sondern um die ganz konkreten Interessen der Beschäftigten – um sichere Arbeit, faire Bezahlung, Mitbestimmung und Zukunftsperspektiven. Dafür steht die IG Metall, seit Jahrzehnten – verlässlich, überparteilich und den Menschen im Betrieb verpflichtet."

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