In der Örtzestraße bot sich dem Betrachter ein erschreckendes Bild: Die beiden blauen Altkleidersammelcontainer von der Firma Soex sind prall gefüllt. Aus den beiden Öffnungsklappen schauen schwarze und weiße Plastiksäcke heraus. Vor den beiden Behältern liegen jede Menge Tüten gestapelt. In den Plastiktaschen befinden sich unter anderem Textilien und Schuhe. Ein paar Regenschauer haben die Inhalte schon über sich ergehen lassen müssen.
Widerliches i-Tüpfelchen des ganzen Ärgernisses sind zwei abgefahrene Autoreifen, die mutmaßliche Umweltverschmutzer an dieser Stelle ablegten. Die illegale Entsorgung von bis zu fünf Reifen bringt in Niedersachsen Bußgelder in Höhe von bis zu 1000 Euro mit sich. Da laut ADAC Autoreifen aus bis zu 200 unterschiedlichen Stoffen bestehen, müssen diese über den Reifenhandel oder Autohändler entsorgt werden.
Wie geht es jetzt in der Tiergartenbreite weiter? Wer ist verantwortlich? „Grundsätzlich stellen illegale Abfallablagerungen eine Ordnungswidrigkeit im Sinne des Kreislaufwirtschaftsgesetzes dar und können mit einer Geldbuße geahndet werden. In diesem konkreten Fall ist für die Reinigung der Flächen um die Altkleidercontainer der Betreiber Soex zuständig“, teilte Florian Reupke von der Pressestelle der Stadt Wolfsburg auf Anfrage mit.
Die Firma Soex, Textilrecycler aus Bitterfeld, hatte im Oktober 2024 Insolvenz in Eigenverwaltung angemeldet. Das hatte bereits im Herbst vor einem Jahr dafür gesorgt, dass viele der 130 Container in Wolfsburg einige Zeit lang nicht geleert wurden, weil für Soex tätige Speditionen im Zuge der Insolvenz die Arbeit eingestellt hatten.
Inzwischen wurde Soex von dem Unternehmen Interzero übernommen. Laut Homepage hat Interzero 40 Standorte in zehn Ländern. Auch für die verbliebenen Container in Wolfsburg wäre Interzero demnach zuständig. Die Redaktion stellte eine Anfrage bezüglich des Wilden Mülls in der Tiergartenbreite. Christina Bunnenberg, zuständig für Öffentlichkeits- und Pressearbeit, kündigte eine Rückmeldung an, die bis Redaktionsschluss nicht eintraf und nachgeliefert wird.
Auch das Deutsche Rote Kreuz (DRK) sammelt Altkleider in Wolfsburg. Immer wieder hatte das DRK in letzter Zeit mit Vermüllung an den 28 Containern im Stadtgebiet zu tun. Im Mai zog das DRK die Notbremse und klebte die Sammelbehälter zu. Tüten wurden trotzdem am Container abgestellt. Nur 30 Prozent der Kleidung, die im Container gesammelt werde, könne wiederverwertet werden, hieß es dazu im Mai.
Auch jetzt, ein halbes Jahr später, musste wieder zu dieser Maßnahme gegriffen werden. „Mit dem Müll ist es einfach chaotisch geworden, viele Leute verstehen offenbar nicht, dass in die Container nur tragbare Kleidung geworden werden soll, das bedeutet Textilien sollten heile und sauber sein“, sagt Tanja Weiler, die beim DRK Wolfsburg auch für die Kleiderkammer zuständig ist.
Zum Glück, so Weiler, landeten viele Kleiderspenden direkt in der Kleiderkammer im Walter-Flex-Weg. „Da haben wir einen direkten Zugriff und können den Spendern mitteilen, dass nicht verwertbare Sachen, die beschädigt und schmutzig sind, im Hausmüll entsorgt werden müssen.“
Ein bislang ungelöstes Problem sei aus Sicht von Tanja Weiler die EU-Richtlinie, die eine getrennte Sammlung von Alttextilien vorschreibt. „Ein funktionierender Recycling-Kreislauf für Textilien existiert bislang in Deutschland nicht. Es fehlen klare Zuständigkeiten, Infrastruktur und Unterstützung für gemeinnützige Organisationen“, so Weiler.
Soziale Einrichtungen wie zum Beispiel die Kleiderkammer fühlten sich mit „Altkleidermüll“ oft alleingelassen. „In dieser Woche haben wir fast zwei Tonnen an Kleidermüll zur Deponie gebracht“, berichtet Weiler. Das verursache Kosten von rund 600 Euro. Sie sieht die Kommunen in der Pflicht und wünscht sich Container, in denen der Kleidermüll gesammelt werden könnte. Denn die derzeitige Situation bedrohe die Existenz von gemeinnützigen Organisationen.
Weiteres Problem: Laut Bericht der Europäischen Umweltagentur hat der Konsum von Textilien in der EU weiter zugenommen. Er stieg von 17 Kilo im Jahr 2019 auf 19 Kilo im Jahr 2022 an. Jeder EU-Bürger verursacht laut Bericht 16 Kilogramm Textilmüll pro Jahr.